[Anmerkung des Übersetzers: Im Originaltext steht für Session “scene”, was korrekt übersetzt Szene oder Auftritt bedeutet. Dieser Ausdruck ist aber in diesem Zusammenhang im Deutschen ungebräuchlich, weshalb wir uns eher für Session entschieden haben. Ähnliches gilt auch für gegenseitige Auseinandersetzung, wo im Original der Ausdruck “Negotiation” steht. Das wäre mit Verhandlung bzw. Unterhandlung zu übersetzen.]
SM hat auf jeden Fall gewisse Ähnlichkeit mit Theaterspielen. Die Tatsache, dass Du während eines Sexspiels unterwürfig bist, bedeutet nicht, dass Du im echten Leben ein Schwächling bist. Genausowenig bedeutet eine dominante Rolle im Spiel, dass Du ein rücksichtsloser Egoist bist. Das sind Rollen, die Du spielen kannst – in gewisser Hinsicht bist Du ein Schauspieler.
Daraus ergibt sich das Konzept einer “Session”. Eine Session ist eine spezielle gegenseitige Beeinflussung einer Gruppe von Mitspielern, die sich üblicherweise um einen (oder mehrere) Bottom dreht. Das ist kein formales Konzept, sondern einfach ein brauchbarer Weg, die Aktion zu beschreiben. “Das war die heisseste Peitsch-Session, die ich jemals gesehen habe!” oder “Unsere letzte Session hat mich total angetörnt, Master. Ich habe noch nie vorher ähnliches empfunden.” Üblicherweise entwickelt sich eine Session immer nach dem gleichen Muster: Du (als Top) beginnst Deinen Bottom zu ficken/peitschen/saugen/oder was auch immer, Ihr beide werdet Euch phantastisch gehen lassen, einer von Euch oder beide werden einen Höhepunkt haben, müde werden und eine Weile ausruhen wollen. Schliesslich werdet Ihr darüber sprechen, was funktioniert hat und was nicht, und wie jeder von Euch die Session empfunden hat.
Unerfahrene SM-Spieler finden diese grobe Beschreibung hoffentlich hilfreich und verwenden sie vielleicht für ihre erste Session. Wenn es etwas gibt, was Du gerne ausprobieren möchtest, besprich es zuerst mit Deinem Partner. Erzähle ihm, was das Ergebnis der Session sein soll (Fesselung? Orgasmus?), was die Grenzen sind (kein Geschlechtsverkehr, kein Kitzeln) und welche Safewörter Ihr verwendet (siehe Frage 3). Dann beginnt das Spiel, leg das Halsband an (oder was auch immer), kommt in Stimmung zu spielen …. und spielt! Nachdem die Session vorüber ist, nehmt Euch Zeit, darüber zu sprechen, wie die Session auf jeden von Euch gewirkt hat… Vergewissere Dich, dass Du Deinem Partner aufmerksam zuhörst, wie er empfunden hat und bedanke Dich bei Deinem Partner für das Spiel… Nach einer intensiven Session ist es viel netter, sich zusammen zu kuscheln und miteinander zu plaudern, als abrupt abzubrechen und nach hause zu gehen. Eine Session hat ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende. Alle drei Teile sind sehr wichtig. (Man sollte das ausserdem nicht so getrennt sehen: Über das zu sprechen, was man gerade erlebt hat und was man gerne möchte, kann den ganzen Prozess nochmals von vorne beginnen lassen!)
Dieses Konzept der gegenseitigen Auseinandersetzung in der SM-Gemeinschaft bedeutet einfach offene, ehrliche Kommunikation über das, was Du möchtest und was nicht. Gegenseitige Auseinandersetzung in diesem Fall ist kein Handeln, wo einer versucht, etwas auf Kosten des anderen zu erhalten. Es ist eine Win-Win-Technik, wo beide darüber sprechen, was sie gemacht haben und was sie erregt und nicht erregt hat, um beim nächsten Mal sicherer und noch mehr erregt zu sein. Es ist absolut in Ordnung, wenn beide über deren Phantasien und Grenzen sprechen. Was sie nass macht _und_ wovor sie sich üchten. Deinem Partner von Dingen zu erzählen, die Du _nicht_ magst, ist wichtig, weil Du Dir nur so auch erwarten kannst, dass diese Limits respektiert werden. Wenn Du sie nicht mitteilst, können sie vielleicht passieren und keiner von Euch wird es geniessen. (Wenn Du Deine Limits klar ausgedrückt hat und Dein Partner ignoriert sie, solltest Du ernsthaft darüber nachdenken, ob Du Deinem Partner (ver-)trauen kannst. Eine gegenseitige Auseinandersetzung kann diese Tatsache ganz klar machen und das kann helfen!)
Wenn man gerade erst mit SM beginnt oder gerade eine neue Beziehung hat, ist dieser Vorgang des Miteinander-Sprechens ein SEHR wertvoller Prozess. Es kann total harmlos sein wie “Ich würde Dich jetzt gerne küssen, findest Du das o.k.?” oder so gemein wie “Erzähl mir Deine dunkelsten Phantasien oder ich höre auf, Deinen Schwanz zu reiben!” Es mag am Anfang schwierig sein, darüber zu sprechen, was man sich von einer sexuellen Beziehung erwartet, aber je öfter man es macht, desto leichter wird es und desto mehr wird man davon profitieren. Und beachte bitte, dass das nicht auf SM beschränkt ist. Dinge miteinander zu besprechen, hilft in allen Gebieten einer Beziehung, egal ob sie SM betreffen oder nicht. Übereinstimmung ist immer mehr als ein kurzes “Ja”. Jede Beziehung, und speziell solche mit SM, funktionieren besser, wenn es viele ehrliche Unterhaltungen gibt über das, was beide möchten, und warum, und wieviel, und warum nicht.
Es mag einige geben, die meinen, solche gegenseitigen Auseinandersetzungen “zerstören die Impulsivität”. Die Idee, die sie haben, ist von dem Liebhaber, der kein Wort sprechen muss. Jede Berührung, jede Aktion ist perfekt. Das ist grossartig, wenn es so ist – aber es kommt nicht von alleine. Die Erfahrung zeigt, dass vorher miteinander zu sprechen, ein wesentlich besseres Gefühl gibt, mit wem auch immer man zusammen ist, und man kann sich darauf verlassen, dass nichts passieren wird, wozu man nicht bereit ist. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass man sich wirklich mit dem ganzen Herzen in das hineinhängen kann, was vereinbart wurde. Zusätzlich wird man, je länger man sich kennt, vom anderen immer besser wissen, was er mag und nicht mag – weil man es besprochen hat. Dann kann die Impulsivität wirklich losgehen!
Das Wort “scene” hat noch eine zweite Bedeutung: Szene. Dies betrifft die gesamte BDSM-Gemeinschaft. Manchmal wird jemand einen anderen SM-Spieler fragen: “Ist X in der Szene?” oder “Ich habe Y schon vorher in der Szene getroffen.”. Wenn Du in diesem Sinn in die “Szene” kommen möchtest, gibt es im Anhang einige Adressen und Hinweise. Einen solchen Schritt zu setzen, kann sehr sinnvoll sein. Man kann neue Freunde finden, eine Menge guter Ideen erhalten und eine Gemeinschaft finden, die Deine Interessen teilt.